Langlebige Beziehungen

Ich bevorzuge langlebige, stabile Beziehungen. Ich meine nicht bloss die Liebe. Auch diese. Ich meine vor allem zwischenmenschliche Beziehungen. Jene Menschen, die mir heute noch nahe sind, waren es meistens auch schon vor zehn Jahren. Auch wenn sie mir manchmal die Unterstützung versagen, wenn ich mich wirklich blamiere und mies benehme.

Ich, du, wir sind füreinander da.

Wir verstehen den kompletten Kontext des anderen. Wir kennen alle Geschichten, alle Episoden und Verlängerungen. Wir wissen, wann und wieso wer glücklich oder erfolgreich war. Wir sind geduldige und stille Teilhaber. Das vergrössert das Verständnis, stärkt die Empathie für alle Lebenssituationen, die man noch erleiden darf. Das tröstet.

Demgegenüber beobachte ich aber auch Menschen, die rastlos sind. Deren Beziehungen künstlich begrenzt sind. Diese Menschen erleben zwar einen Abschnitt, der durchaus intensiv ist. Aber alles ist terminiert. Nach Monaten oder Jahren brechen sie auf. Gehen sie fort. Es muss keine Flucht sein; es ist ein Lebensmodell.

Allerdings müssen sie sich immer wieder frisch erklären. Ich lerne kaum neue Menschen kennen, weil ich nicht meinen kompletten Kontext vermitteln möchte. Ich müsste ein Buch schreiben. Darin alles konsolidieren und einigermassen bewerten. Und das Buch meinen jungen Kontakten aushändigen. Zuerst lesen, dann reden. Aufwändig, nicht wahr?

Denn um jemanden mehr oder besser verstehen zu können, muss man dessen Geschichte kennen. Die komplette. Nichts auslassen, nichts aussparen. Wer das nicht tut, der kann nie das grosse Verständnis erlangen, das Menschen besänftigt, das sie zum Weiterleben ermuntert. Er schlüpft dann stets durch.

Ich kenne die Geschichte einiger Menschen. Ich kenne ihren Schmerz, ihre Enttäuschung. Ich spüre teils auch ihre Verbitterung. Ich habe die Gabe, alle Empfindungen aufzusaugen wie ein Schwamm. Ich bin der Weltschwamm. Ich spüre, dass gewisse Menschen insgeheim nach stabilen Beziehungen sich sehnen, diese aber gleichzeitig sabotieren.

Weil sie sich fürchten, ihre Unabhängigkeit zu verlieren. Weil sie nicht erklärt und verstanden werden wollen. Sie kokettieren damit, dass niemand sie verstehe. Gewissen Szenen kann dieser Attest durchaus imponieren. Mich nicht, jeder will einzigartig, besonders und unergründlich sein. Das wollen alle.

Meine Empfehlung ist, dass man Beziehungen jahrelang intensiviert. Dass man sich wirklich austauscht. Ehrlich ist. In jeder Lebenssituation. Sich nicht abwendet. Halt einander billigt und auch akzeptiert. Und dass man Vertrauen mit Taten schafft. Weniger mit Worten. Hier eine Unterstützung, dort eine selbstlose Anerkennung.