Lage der Nation

Das Jahresende naht. Üblicherweise reflektiert man. Bald folgen die grossen Reden, die wirklich bedeutungsvollen Reden, die man am dritten Januar wieder vergessen hat. Im Fernsehen wiederholen sich Listen. Diese verseuchen Fernsehen und Internetz. Sie sollen amüsieren, manchmal auch irritieren oder bloss verblüffen. Ich warte.

Ich lasse mich nicht beeinflussen. Ich meide das Echtzeitfernsehen. Ich selektiere meine Medienkonsum mit RSS-Feeder. Manchmal spendiere ich mir die NZZaS, ein gemeinhin beachtetes Blatt. Die schweizerische Tagespolitik beobachte ich durch mein schmales Guckloch. Manchmal erheitert sie mich, manchmal langweilt sie mich auch bloss.

Ich möchte keine Jahre der Entscheidung beschwören. Die Ereignisse vom 2016 kann man dramatisieren. Ich glaube, der Terror und der Isolationismus gewisser Nationen dominierten. Die Ereignisse bedrohen vor allem Europa, dieser unendliche Freizeitpark für die Reichen, Gebildeten, Kultivierten und Genussfreudigen dieser endlichen Welt.

Die Schweiz ist zwar ebenfalls vernetzt, wir konsumieren, produzieren und beliefern. Wir sind durchwegs globalisiert; angeblich übertrumpft bloss noch Singapur die unsrige Wettbewerbsfähigkeit und den unsrigen Globalisierungsgrad. Die Ereignisse müssten uns also interessieren, doch sie können kaum. Sie dringen kaum durch.

Manche rufen, schreiben und betteln dagegen. Das EU-Thema soll endlich uns beschäftigen. Auch der Terrorismus könnte einreisen. Man würde den Terroristen nicht einmal bemerken oder erkennen. Der Terrorist könnte sich verstecken, könnte von unseren Sozialleistungen knabbern und von unseren grosszügigen Frauen profitieren.

Ich erwarte im 2017 nichts Besonderes. Die Welt dreht weiter. Die EU endet noch nicht, die NATO ebenfalls nicht. Auch Putin kann nicht Polen überrollen. Italien mag irgendwie Schulden ausgleichen. Griechenland lähmt sich weiterhin selber. Frankreich radikalisiert sich zunehmend, spaltet sich. Belgien ist längst gescheitert. Und Deutschland?

In Deutschland könnte sich etwas verändern. Aber Deutschland hat bereits unzählige Söhne in fremder Gefangenschaft verloren. Die humanistische Mittelschicht Deutschlands kann eine Radikalisierung abwenden; sie kann versöhnen. Weil sie sich erinnert. Deutschland kann bloss sozial- oder christdemokratisch sein.

Hedonisten oder Nationalisten werden Deutschland niemals alleine regieren können. Deutschland als politisches System erstrebt den Ausgleich. Im Einzelnen, in München, Hamburg oder Berlin freilich können sich einige Gruppierungen totalisieren. Die Hedonisten in den urbanen Altbauwohnungen, die Nationalisten im Speckgürtel.

Ich fürchte diese Minderheiten nicht. Sie können poltern, aber niemals absolute Mehrheiten bilden. Sie müssten sich eigentlich verbrüdern, verschwören. Sie müssten sich zusammentun. Doch unüberwindbare Differenzen verunmöglichen einen Kompromiss. Sie werden sich vorerst nicht einigen, denn vorerst ist die Lage noch überschaubar.

In der Schweiz entscheidet sich im 2017 nichts. Wir erwarten keine Veränderungen. Das ist der Vorteil unseres Systems. Wir sind sehr gemütlich getaktet. Veränderungen können nicht rasch umgesetzt werden. Wir gedulden uns. Wir können auch mal abwarten. Europa kann auseinanderbrechen; wir reagieren später. Dafür dann besonnen und ohne Aktionismus.

In meinem Privatleben aber ändert sich im 2017 vieles. Anderes Thema.