Ich im Krankenhaus

Ich fürchte mich vor der Medizin. Ich kann mich nicht für die Biologie interessieren. Die Psychologie hingegen besorgt mich nicht. Aber ich ekle mich vor Spritzen, Krankenhäuser und Ärzten. Mich kann man kaum verarzten. Ich verschiebe jede Blutentnahme, ich vergesse jeden Arzttermin. Ich ignoriere jede mögliche Erkrankung.

Meine Phobie grenzt am Pathologischen. Wieso empfinde ich Medizinisches als unangenehm? Wieso zittere ich bei einer Blutentnahme? Wieso schwitze ich bei einer Arztvisite? Wieso kann ich mich nicht für meine Gesundheit begeistern? Wieso kann ich nicht über Herzbeschwerden diskutieren?

Bin ich verletzt oder traumatisiert worden? Ich kann mich nicht erinnern. Was verursacht meine Medizinphobie? Ich kann diese Angst nicht rationalisieren. Diese Angst erklärt, wieso ich beispielsweise jeden Zahnarzt mied, ich keinen Hausarzt besitze oder nichts über meinen Gesundheitszustand aussagen kann.

Ich bin sogar schlechter geimpft als eine Hauskatze. Mein Impfausweis ist veraltet. Die letzten Einträge stammen aus den Neunziger. Das letzte Mal immunisierte man mich an meinem ersten Schultag der Kanti. Das kann erschrecken, ich bin quasi unterversorgt. Doch beklagt darüber habe ich mich nie.

Grundsätzlich fasziniert mich das Spital als Unternehmen. Darin sind unterschiedliche Disziplinen kombiniert. Ein Spital benötigt Ärzte, Pflegepersonal, einen fundierten technischen Dienst, eine Administration. Als Unternehmensberater beäuge ich Krankenhäuser kritisch; die Automatisierung und Digitalisierung sind gering.

Ich könnte mir sogar vorstellen, ein Spital zu optimieren. Ein Kanban-System für die Patientenaufnahme, mit unterschiedlichsten Serviceklassen anhand Lebensbedrohung; transparent mit Kanban-Karten am Haupteingang platziert. Mit einer geschätzten Wartezeit. Mit Standardprozeduren, die von flexiblen mechanical turks erledigt werden können.

Und so weiter. Ich könnte problemlos dort wuseln. Ich könnte sogar Blut wegwischen, solange es nicht mein eigenes ist. Ich habe bekanntlich in der Pflege gewirkt; dort verstarben Menschen. Dort durfte ich Unrat, Erbrochenes wegputzen; ich durfte das Siechen begleiten. Das hatte mich nicht erschaudert.

Doch sobald es persönlich wird, bin ich blockiert. Ich kann nicht mehr funktionieren. Ich kann problemlos retten, helfen, Wunden desinfizieren und verbinden. Aber ich könnte mir selber nicht helfen. Eigenartig, nicht wahr? Aber wiederum habe ich mich gebessert. Ich besuche Ärzte, ich lasse mich untersuchen.