Month Januar 2021

Die Folgen der Pandemie

Die Pandemie ist bekanntlich real existierend. Sie beschränkt den Alltag. Manche fühlen sich eingesperrt, andere befreit wegen des fehlenden sozialen Drucks, irgendwie sich betätigen zu müssen. Auch die Wirtschaft klagt und fordert rasche Entspannungen. Ich dagegen bin entspannt, beobachte; geniesse zuweilen die Freiheit des Nichtstun. 

Doch vielmehr besorgen mich allfällige Folgen der Pandemie. Es sind nicht die wirtschaftlichen Folgen. Diese können wir rasch bewältigen. Hierzulande droht keine permanente Überschuldung. Die Schweiz kann die laschere Kurzarbeitsentschädigungen sowie die Hilfskredite problemlos finanzieren und innerhalb fünf Jahren amortisieren.

Vielmehr berühren mich die sozialen Folgen der Pandemie. Bereits jetzt ist die sogenannte Gesellschaft fragmentiert. Keine gemeinsame Erzählung bindet uns als Gesellschaft. Die letzte grosse gemeinsame Anstrengung war, die Immigranten des Balkons einigermassen zu integrieren, die nun Handys oder Drogen oder Versicherungen erfolgreich vertreiben.

Die Pandemie begünstigt die Vereinzelung, die Vereinsamung der Menschen in den grossen Städten. Die Home-Office-Pflicht ruiniert die letzte grosse Verbindung der Menschen: nämlich das Grossraumbüro, wo Menschen unterschiedlicher Wertesysteme ganz im Sinne einer Willensgemeinschaft sich zusammenrotten und Gesellschaft üben mussten.

Nun ist der moderne Wissens- oder routinierte Bildschirmoberflächearbeiter ins Home-Office verbannt, wo er zwischen Bett und unergonomischen Arbeitsplatz pendelt. Nun fällt er endgültig auf sich selbst zurück, wo bekanntlich die Leere und das Absurde bloss triumphiert. Doch er wird’s verschmerzen; Lieferdienste und Online-Yoga vertrösten.

Weitaus bemerkenswerter sind die Folgen der Pandemie für die nachwachsende Generation, die bereits jetzt die Ausweitung der Kampfzone aller Lebensbereiche erfährt. Es sind nun mehr als bloss die Sexualität, der Stil, die Auftrittskompetenz in sozialen Medien, welche den Alltag junger Menschen dominieren. 

Es ist das Gefühl der Ohnmacht, des Ausgeliefertseins – dass man die Verhältnisse nicht verändern kann, weil man im Zweifel und in der Krise bloss sich selber vertrauen kann. Kein politischer Aktionismus kann die Pandemie beenden, keine noch so quere WhatsApp-Gruppe öffnet die Clubs wieder. Die Pandemie beherrscht alle. 

Wer bereits in jungen Jahren der Gesellschaft misstraut oder die Existenz einer Gesellschaft ablehnt, nämlich einer grossen Verbindung, die mit einer gemeinsamen Erzählung einen bindet – den bekräftigt die aktuelle Pandemie, dass für eine Gesellschaft zu bemühen sich nicht lohne. Weil letztlich alle im Home-Office und Hausunterricht fristen.

Und das alles wiederum intensiviert die soziale Kälte, welche die Gesellschaft längst erfroren hat. Das belegen Auschwitz, die Armenhäuser, Anstalten, Wohnheime, im Mittelmeer ertrunkene Flüchtlinge, mit Arbeit ausgebeuteten Kindern, vergewaltigte Frauen, die geschändete Natur. 

Die zunehmende soziale Kälte bedroht unseren Alltag. Die soziale Kälte verdeutlicht die allgemeine Anteilslosigkeit, die Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal unserer Mitmenschen. Sie erhöht das Fremdkapital unserer Zivilisation, wodurch eine Unterbilanz des Eigenkapitals der Menschlichkeit dieselbe ebengerade gefährdet. 

Die Pandemie enthumanisiert die Menschen abermals; sie lässt sie vermuten und irrglauben, dass sie bloss alleine überleben könnten und vor allem alleine kämpfen müssten. Auch wenn die Werbung von Coca-Cola und anderen Kapitalisten nach dem ersten Lockdown uns weismachen wollten, alles sei anders.

Es hat sich nichts gebessert; es wird bloss kälter. Das Pflegepersonal ist längst vergessen. Auch die überforderten Lehrer. Es ist wieder normal und alles business as usual, bloss noch härter, erbarmungsloser, sprich kapitalistischer. Die Pandemie nährt bloss die maximale Individualisierung. Und kommerziell werden ohnehin die Grossen überleben.

Aber eventuell irre ich mich bloss. Vermutlich werden wir allesamt bessere Menschen, wir gründen eine Weltföderation, schaffen das Geld ab, streben nach Wissen und Erkenntnis und wollen die Rohstoffe der Natur teilen. Wir werden in einer digitalen Demokratie uns gemeinsam arrangieren und besser verständigen können.