Month Juli 2018

Was ist mir wichtig?

Kürzlich wurde ich gefragt, was mir wichtig sei im Leben. Das ist eine bemerkenswerte Frage, auf die ich nicht zweifellos antworten kann. Grundsätzlich ist die Frage anspruchslos, denn sie drängt auf die simple, aber akzeptable Antwort, dass Familie und so wichtig sei. Doch ich möchte nicht so abkürzen.

Als zutiefst leidenschaftlich-leidenschaftsloser Mensch ist mir nichts wichtig. Ich bin mir meiner Nichtigkeit bewusst, ich versuche mich nicht zu überhöhen. Ich versuche irgendwie widerstandslos zu fristen, ohne viel Energie zu vergeuden in noch unwichtigeren Angelegenheiten. Ich betreibe mich im batterieschonenden Modus.

Im Bewusstsein der Vergänglichkeit möchte ich nicht priorisieren, was wichtiger ist und weniger wichtiger. Ich behalte eine flache Liste möglicher Lebensaufgaben und bewältige sie mehr oder weniger routiniert. Wobei ich Hausarbeit so gut als möglich meide und darauf achte, dass ich mich nicht überanstrenge.

Was ist mir nun wichtig? Ich weiss es nicht. Ich will entgegen, dass mir wichtig sei, dass mein Umfeld gedeihe. Dass Menschen um mich herum reüssieren, einigermassen glücklich seien und eine kluge Art der Gegenwartsbewältigung praktizieren können. Ich will, allerdings habe ich genügend Menschen verletzt, dass ich nicht glaubwürdig bin.

Original und vermutlich Jahrzehnte zurück war ich durchaus motiviert, mein Umfeld gedeihen zu lassen. Ich wollte antreiben, herausfordern. Ich wollte ein Umfeld schaffen, wo alle sich verwirklichen und Glück erfahren durften. Irgendwann verirrte ich mich aber. Ich kann nicht mehr exakt rekapitulieren wann und wo und wie.

Vermutlich das erste Mal, als ich meinen verstorbenen Lehrmeister enttäuscht habe. Oder meine Familie. Ich weiss nicht. Vermutlich auch die erste Liebe mit knapp fünfzehn im Umland Oltens. Die Liebe, die ich mit einer perfiden Begründung boykottiert habe, sie sei nicht gesellschaftlich akzeptabel, auch wenn ich mich nie für Etiketten interessierte.

Ich könnte noch etliche Verfehlungen auflisten, die alle bloss meine Unglaubwürdigkeit bezeugen, dass ich meinen Mitmenschen Gutes tun möchte. Deswegen kann ich die initiale Frage damit nicht klären. Ich muss also weiter untersuchen, was mir denn wichtig sei. So elegant und selbstlos kann ich das Thema also nicht beenden. Weiter geht’s.

Was mir wichtig sei? Ich weiss es nicht. Möglichst viel Geld verdienen? Kaum, denn dazu habe ich den falschen Beruf oder das falsche Gefäss gewählt. Möglichst viel Liebe machen? Ebenfalls unwahrscheinlich, weil dafür habe ich das falsche Betriebssystem installiert. Möglichst viel rauchen und saufen? Gleichsam fraglich und nicht kompatibel.

Also was dann? Glücklich sein? Ich? Ich bin ein Glücksverweigerer. Ich verneine das Konzept des Glücklichseins. Leben bedeutet zu bewältigen. Ich beschreibe es als Gegenwartsbewältigung. Innerhalb dieses Rahmens darf man gelegentlich rebellieren, eskapieren. Solange man niemanden schadet.

Letztlich ist mir wichtig, im Leben nicht zu viel Widerstand leisten zu müssen. Ich möchte manchmal kapitulieren, nicht Zeit und Energie opfern, sondern mich treiben lassen. Ich möchte nicht entscheiden oder Wege errichten. Gleichzeitig möchte ich aber, wo ich keinen Widerstand zu befürchten habe, schöpferisch sein. Dort inspirieren.

Ich pendle zwischen Welten, gleichsam dem Zwischenwesen, das im Titel dieser Plattform angedeutet ist. Ich möchte dort, wo ich kann, mitwirken. Aber anderswo, wo ich nicht mag, es geschehen lassen, ohne opponieren zu müssen. Eine Art der Gleichgültigkeit, die sich aber ungleich verteilt. Das ist mir irgendwie wichtig.

Wie auch immer – diese Frage konnte ich nicht klärend beantworten. Stattdessen habe ich wohl weitere Fragen provoziert.