Month Januar 2017

Der erfolglose Karrierist

Er atmet Grossstadtluft. In der Schweiz. Er wohnt angemessen. Er arbeitet durchaus solide. Das Gehalt entschädigt für die Längizyt. Seine Anzüge sind geschneidert, seine Schuhe geschustert. In der Newsbar ordert er sein feierabendliches Heineken Lagerbier. Dort versammeln sich die Arbeitskollegen. Ein-zwei Bierchen, danach ins nahe Movie.

Die Anstellung definiert, wer und was er ist. Die Visitenkarten sind stets griffbereit, im preisunsensitiven Piquadro Leder-Etui einsortiert. Ein englischklingender Titel imponiert. Mit 30 zuletzt noch Associate, einige Jahre später eventuell Consultant. Vermutlich bald das nächste Lohnband erkämpfend. Ein SSC in Breslau digitalisiert seine Belegspesen.

Er wühlt im Verteilungsdschungel eines weltweiten Grosskonzerns. Wo EOB immer eine Frage der Zeitzone ist. Wo die Miezen kostümiert, parfümiert und geschminkt sind. Wo die Altherren meliert, klobige Uhren tragend und Geckos Weisheiten posaunend sind. Wo es sich anschickt, Überzeiten zu vertuschen und Schwächen auszunutzen.

Davon erzählt er stets. Er will aber nicht bemitleidet werden. Er will anerkannt werden. Dass er dort überleben kann. Auch wenn sein MD ihn wieder piesackt; ihn zu Mehrarbeit drängt, Verrechenbarkeit verlangt. Er wünscht, dass er mich beeindruckt. Er möchte, dass ich ihn billige. Doch ich verwehre. Ich frage, wer und nicht was er ist.

Danach schweigt er. Er schluckt. Die Jahre fristet er. Doch bewirken kann er nichts. Die interne Prozesse lähmen und paralysieren ihn. Er muss Stellvertreterkriege führen. Er muss sich politisch äussern. Er muss Loyalität simulieren. Er muss Kunden melken. Er muss Kennzahlen optimieren. Nach zehn Jahren landet er im Partner Fastrack.

Bis dahin hat er sich verausgabt. Zwischenzeitlich inspiriert ihn House of Lies. Alle fünf Minuten beteuert er seinem Mitbewohner, dass die Serie bloss Tatsachen spiegle, dass sein Konzern nicht besser sei. Er schmachtet im kokettierenden Zynismus. Er sei halt ein harter Krieger, jahrelang erprobt und erfahren.

Jahre später zerstört ein weitaus agiler, weil anpassungsfähiger Mitbewerber aus dem Mittelland, aus einer unscheinbaren Adresse Oltens, das komplette Geschäftsmodell. Die Kunden bezahlen nicht mehr den Namen, sondern die Leistung. Der Kunde ist fortan ein Prosumer. Der Kunde ist autonom, selbständig und unabhängig.

Er bewirbt sich, aber vergebens. Er gilt als ausgestorbene Rasse, die nicht mehr vermittelbar ist. Die Jahre des Verteilungsdschungels, der unsäglichen Budgetdebatten und queren Politik haben ihn verdorben. Er kann nicht mehr den Kundennutzen fokussieren. Er verliert seine Anstellung. Er ist arbeitslos. Was nun?

Die unbekannte Schmerzgrenze

Das Volk ist beunruhigt. Die allgemeine Digitalisierung vernichtet Arbeitsplätze. Die Wirtschaftsflüchtlinge unterminieren den Sozialstaat. Der Städter trennen sich vom kantigen Mittelland. Obama verabschiedet sich von der Weltpolitik, die Briten verbarrikadieren sich auf einer Insel. Die Terroristen durchqueren den Schengen-Raum.

Mich überrascht nicht, dass das grosse Unbehagen sich entladen muss. Mich überrascht nicht, dass man den Unmut den Fremden zuschiebt, dass man die Fremden beschuldigt. Die Fremden müssen “herhalten”. Denn bloss sie sind fassbar, sie zeigen sich. Sie kann man erkennen respektive unterscheiden und somit beschimpfen.

Der abstrakte Feind der globalisierten Digitalisierung kann man nicht verorten. Er versteckt sich hinter, in Logen grosser Netzunternehmen und Beratungsdienstleistern. Man kann dagegen keinen Widerstand leisten; man ist einmal mehr ohnmächtig. Auch Terroristen enttarnen sich naturgemäss nicht. Genauso der intellektuelle Stadt-Land-Graben.

In der Schweiz kann man keinen Graben identifizieren. Wer mitm Interregio von Zürich nach Basel via Baden fährt, wähnt sich dauernd in einer gigantischen Stadt mit sechs Millionen Einwohnern. Die in der lokalen Kulturindustrie beschönigte Schweiz ist mindestens hundert Kilometer entfernt, quasi kaum existent.

Anfangs Jahr berichtete die NZZaS über organisierte Krawallen gegenüber Ausländern in Polen. Gewiss ist Polen weit entfernt, gewiss kann man polnische Zustände nicht mit den Rankwogs und Chalchofens der Schweiz vergleichen. Unsere Rechten wie Linken sind gemässigt, sind allesamt gebändigt.

Ich befürchte also nicht, dass freitags ein Mob Muhens im dortigen Flüchtlingsheim zündelt, Frauen und Kinder aufspiesst und die Nachbarschaft aufschreckt. Ich glaube nicht. Ein kleines Zeichen aber könnte mich umstimmen. Ab einer allgemeinen Arbeitslosenquote von 10% könnte ich mir eine gewisse Radikalisierung vorstellen.

Die Schweiz dümpelt aber seit Jahren unterhalb der 4%-Marke. Wir feiern eine quasi Vollbeschäftigung. Wir sind einigermassen gesättigt. Die Jugendarbeitslosigkeit ist vernachlässigbar, jeder Pensionierte startet mit einer minimalen Pensionskasse von einer halben Million. Die soziale Situation ist entspannt.

Ich bin überzeugt, dass die allgemeine soziale Stimmung einer Nation deren Alltags- und Wahlverhalten beeinflusst. Der Aufstieg radikalisierter Gruppierungen wie beispielsweise in Frankreich, Deutschland und Italien und schliesslich in den USA beweist, dass eine Nation sozial nicht mehr ausreichend geeint und befriedet ist.

Ich möchte gerne eine “Schmerzgrenze” erraten, ab wann sich eine Nation fundamental wandelt und allen den Krieg erklärt. Ab wann die Öffentlichkeit toleriert, dass fremde Mitmenschen gejagt und gedemütigt werden können. Denn im allgemeinen Umgang mit Armen und Fremden messe ich den Grad der Zivilisation und Vernunft.

Herkunft Olten

Meine Herkunft ist eigenartig. Olten ist in der Schweiz bekannt, doch nicht gerade für Schönheit und Urbanität. Olten fristet im Mittelland. Olten war jahrhundertelang ein Untertanenstädtchen des schön-fernen Solothurns. Erst die Industrialisierung und damit die SBB befreiten Olten. Seitdem hat sich Olten einigermassen “entwickelt”.

Es ist eine mittelländische Kleinstadt. In Nachbarschaft liegen Zofingen, Langenthal und Aarau. Diese Städte konkurrieren stets. Sie sind alle innerhalb zehn Minuten Zugverkehr erreichbar. Aarau gleicht aber bereits Zürich West. Die Bars und Menschen orientieren sich nach Zürich. Zofingen harmoniert mit Luzern und Bern. Langenthal kennt nur Bern.

Olten ist ein Kaff. Olten aber behindert einen nicht oder nie. Die Stadt ist grossgenug, dass man jahrzehntelang nebeneinander leben kann. Ich kenne weiterhin Menschen, die weiterhin in Olten wohnen, die ich aber nirgendwo treffe. Manchmal erstaunt mich diese Art der Fragmentierung. Bereits in Olten existieren Parallelgesellschaften.

Gewiss können die Menschen hier einen erschrecken und ekeln. Wer den Bahnhof betritt, muss sich mitm Elend, was die Schweiz zu bieten hat, auseinandersetzen. Dieses Elend kann man zwar nicht mit deutschen Grossstädten mithalten. Dort, wo eine richtige Unterschicht sich ausbreitet. Aber für schweizerische Verhältnis dennoch beachtenswert.

Unsere Oltner Literatur beschreibt schwierige Lebensläufe. Fragile, gescheiterte. Sie streben nach Glück, werden aber enttäuscht. Sie zerbrechen. Sie sind nicht geschult oder trainiert fürs Leben. Sie alle wollen das Kaff verlassen, wollen in die ferne Grossstadt auswandern. Sie alle fühlen sich erdrückt und beobachtet. Man kennt sich.

Aber die Literatur dramatisiert. Sie überzeichnet. Die Lebenswirklichkeit in den mittelländischen Kleinstädten ist weitaus unaufgeregter. Olten ist ein solider Wohnort, die Mieten sind preiswert, das Angebot bemerkenswert. Die Kultur lebt. Die Randständigen sind gut versteckt. Die Ausländer hausen in Rankwog und Chalchofen und rauchen Shishas.

Derzeit formiert sich eine Gruppe Bekannter. Ich habe kürzlich ihren Antrag auf politische Ernsthaftigkeit bezeugt. Diese Gruppe möchte demnächst kandidieren. Ihr Frontmann K. gastierte an den letzten Wahlen auf einer sozialistischen Freak-Liste. Er konnte immerhin weitaus mehr als zweitausend Stimmen mobilisieren. Beachtenswert.

Oltens Ausgangslage ist nicht so trostlos wie oftmals bedauert. Ich möchte Olten nicht heiligsprechen. Olten kämpft mit gewissen issues. Doch die schlimmsten wie Drogenhandel und Prostitution konnten eingedämmt werden. Auch die Finanzkrise ist mittlerweile überwunden. Das vormals national bekannte Budget-Desaster ist weitgehend vergessen.

Ich werde Oltens Schicksal gewiss weiterhin beobachten. Wenn auch aus der Ferne. Trotz alldem bin ich der Stadt verbunden und auch dankbar. Dankbar, dass sie mich stets aufgenommen hat. Dass sie mich niemals verurteilt oder ausgestossen hat. Olten ist eine geduldige und leidensfähige Mutter. Sie liebt alle.

Die automatische Musterübernahme

Ich habe ein Muster beobachtet, das mich stört. Wenn mich jemand verletzt, dann verletze ich jemanden. Nicht unbedingt diese Person, die mich verletzt hat. Sondern irgendeine. Den Schmerz leite ich weiter. Das beruhigt mich, macht mich leidensfähiger dort, wo ich verletzt werde. Doch das Muster gefällt mir nicht.

Wenn ich mich einigermassen unterwerfe, dann dominiere ich eine andere Person. Ich kompensiere stets. Ich tradiere damit Verhaltensmuster, die ich normalerweise nicht billigen würde. Ich mache mich mitverantwortlich. Weil ich das Muster nicht durchbreche. Weil ich mich nicht wehre. Sondern einfach weitergebe.

Wenn mich also das nächste Mal jemand verletzt, dann stoppe ich. Dann kommuniziere ich, dass ich das Verhalten nicht unterstütze. Ich muss konfrontieren. Im Beruf gelingt mir das mühelos, weil der Geschäftsanzug mich schützt und quasi panzert. Im Privatleben hingegen operiere ich weitaus unreflektierter.

Im Privatleben möchte ich mich nicht einmauern. Ich möchte in Beziehungen nicht einfach erkalten und erstarren und mich permanent abgrenzen müssen. Ich möchte aber auch nicht mir unliebsames Verhalten imitieren und an Unschuldige weiterreichen. Ich beobachte vielfach, dass dieses Verhalten auch vererbt ist.

Wenn meine Mutter ihre Mutter schlecht behandelt, behandle ich meine Mutter ebenfalls automatisch schlecht respektive schlechter. Anstatt die Linie zu stören oder zu korrigieren, führe ich sie fort. Die Alternative ist, dass ich das Mutterverhalten ablehne. Und mein Verhalten meiner Mutter und vor allem anderen Menschen gegenüber ändere.

Dasselbe Muster kann man auch bei Ordnung und Sauberkeit anwenden. Wenn die Umgebung unordentlich ist, ist man automatisch unordentlich. Obwohl man selber normalerweise ordentlicher wäre. Doch die Umgebung beeinflusst einen. Man muss auch hier opponieren. Auch hier muss man Widerstand leisten, ohne dass man kompensiert.

Co-Abhängigkeit basiert ebenfalls auf diesem Muster. Ich bin gesund, ein Kollege krank. Ich brauche den kranken Kollegen, der mich indirekt aufbaut. Ich kann mich damit vergrössern. Wiederum kopiere ich das Verhalten, indem ich mich anderswo dann beklage, wieviel ich für meinen kranken Kollegen investiere. Dort tauschen sich die Rollen.

Das sind gängige Beispiele eines Verhaltens, das mittlerweile standardisiert und in der Schweiz akzeptiert ist. Die Liebe mit Bedingung ist ebenfalls darin verwickelt. Wir konstruieren absurde Bedingungen bloss, weil wir das Verhalten beobachtet und als erfolgreich irgendwo anders empfunden haben.

Ich bemühe mich, diese Muster zu erkennen und mich selber zu hinterfragen. Allerdings muss ich gestehen, dass ich manchmal erfolglos bin. Ich kann mich nicht immer befreien. Stattdessen verfestige ich das Muster, ich versteife. Ich transportiere das Muster damit auf die nächste Generation, auf weitere Menschen.

Es ähnelt einer sozialen Epidemie. Ich vermute, dass die unterbewusste Musterübernahme grosse soziale Trends wie Individualisierung beschleunigte. Denn die Muster erzielen irgendwo einen beobachtbaren Erfolg und werden daher reproduziert. Sie simulieren eine Alternativlosigkeit. Doch ich behaupte, es existieren immer Alternativen.

Was machst du so?

Du bist in Zürich. Ein Weihnachtsessen eines Finanzberaters blockiert die Bar. Deine Begleitung duzt den Kellner. Du wirst hineingelassen. Du setzt dich nieder. Du lockst und köderst. Du willst zwei Talente abwerben. Du hast eine Mission. Plötzlich gesellt sich eine Gruppe Menschen, gemischt im Geschlecht.

Die ersten Konversationen starten. Man toppt und übertrumpft. Die erste Frage ist jene des Berufes. Ein Klassiker Zürichs. Die wichtigste Frage überhaupt. Ich beende die Neugierde mit einem simplen “arbeitssuchend”. Ich habe meinen Status masslos heruntergesetzt. Meine Talente wetteifern. Der eine ist bei EY, der andere in der Industrie.

Ich beobachte die Szene, frage hier und da gezielt nach. Ich entschlüsse den Beruf und die Herkunft der Gegenpartei. Treuhänderin, Horgen. Sie führt einen grossen Bereich. Sie ist ungefähr meines Alters. Sie verschwindet. Ich bin erleichtert. Ich will nicht mit fremden Menschen meine Person inszenieren.

Ich will bloss meine Talente überzeugen. Ich will sie unterschriftsreif säuseln. Ich will, dass sie die Firma annehmen, dass sie sich beteiligen. Dass sie ihre sicheren Jobs kündigen und das Abenteuer mit mir wagen. Ich bin eine Art Leuchtturm, eine Art Referenz und Grösse. Ich bin eigentlich bemerkenswert. Ich vermittle ihnen meine Kultur.

Plötzlich nähert sich die Treuhänderin wieder. Ich bin angeschwipst. Natürlich. Das kann ich nicht verschweigen. Ich kann schwatzen, palavern und übertreiben. Sie will endlich wissen, was ich tue. Wer ich sei und so weiter. Woher ich stamme, wie ich wohne. Was ich arbeite. Und überhaupt, was ich hier tue.

Ich erkläre in totaler Nüchternheit und Unaufgeregtheit, dass ich als VRP hier neue Talente begeistern möchte. Sie interessiert sich für mich und meine Biografie. Ich möchte nicht erzählen, ich möchte nicht ausholen müssen. Ich verkürze und überspringe einige Passagen. Ich will nicht flirten. Sie nähert sich.

Sie möchte nun konkret erfahren, was ich konkret tue. Sie signalisiert ihr Interesse. Sie blufft mit ihren “alten” Visitenkarte. Doch ich will und kann nicht erklären, was ich so tue. Ich verstecke mich in klassischen Phasen wie “Prozesse verbessern”, “Vorgehensmodelle etablieren”, “Innovationen ermöglichen”. Alles wahr, aber nicht gerade überzeugend.

Ja, meine Talente doppeln nach, wollen assistieren, wollen beglaubigen und beherzigen. Doch die Treuhänderin amüsiert sich bloss. Sie amüsiert sich, dass wir nicht veranschaulichen können, was wir eigentlich tun. Und das ist das, was mich schlussendlich stört und auch weiterhin beschäftigt. Ich hatte meinen elevator pitch.

Aber ich bin grandios gescheitert. Ich konnte einer halbklugen Treuhänderin, die einigermassen unterrichtet ist wirtschaftlichen Belangen, nicht aufzeigen, was der added value unserer Unternehmensberatung sei. Das nächste Mal werde ich wohl vereinfachen müssen, ich repariere Computer.

Meine Masterarbeit

Ich habe die visionäre Idee beerdigt. Ich habe den Beratungsautomaten vertagt. Vermutlich in einer Doktorarbeit werde ich ihn thematisieren. Doch bis dahin ist das einzigartige Zeitfenster geschlossen. Bis dahin haben andere Jünglinge das verwirklicht und werden den Markt erobern. Oder ich werde den Beratungsautomaten on top entwickeln.

Ich muss haushalten. Ich kann nicht gleichzeitig ein Unternehmen begründen, das 50-60 Stunden pro Woche Aufmerksamkeit in der Woche erfordert, den prallen privaten Backlog serialisieren und nebenbei eine Masterarbeit im Umfang von 200-300 Stunden ausformulieren. Ich muss priorisieren. Und ja, ich habe mich entschieden.

Ich reduziere meine Ansprüche an meine Masterarbeit. Dort schade ich niemanden. Obendrein riskiere ich weniger, wenn ich ein bescheidenes Thema wähle. Meine Arbeit mag dann nicht überragen, aber ich werde bestehen und vor allem körperlich überleben und mich nicht in Bewusstlosigkeit schuften wie bei der letzten Diplomarbeit.

Ich möchte gerne Consulting Services evaluieren, die dem Schlagwort Agile HR entsprechen. Darin sind die veränderten Management-Techniken versammelt, um Menschen heutzutage und insbesondere im agilen Umfeld führen zu können. Was bedeutet Führung in diesem Kontext und wie kann diese veränderte Führung vermittelt werden.

Ich zitiere die Klassiker der transformationalen Führung. Ich vermenge diese Thesen mit jenen des agilen Manifests. Und versuche damit ein guidance für Führungskräfte zu skizzieren, wie sich innerhalb der agilen Organisation überleben können. Oder so, und diese Ideen möchte ich gerne in Consulting Services veranschaulichen und testen.

Das Thema ist auch wichtig und dringend, aber leider nicht so disruptiv wie mein eigener Anspruch. Ich muss mich also mit einem verhältnismässig langweiligen Thema begnügen. Mit diesem Blogeintrag sensibilisiere ich zunächst mich selber. Aber gleichzeitig möchte ich die Erwartungen meiner Leserschaft dämpfen. Tut mir leid.

Matt

Ich kann momentan nicht mehr denken. Ich kann in meiner Freizeit nicht mehr atmen. Der Brustkorb zerdrückt mich. Meine Beine sind schlapp; ich fühle mich schwer und unbeweglich. Ich muss jeden Atemzug bewusst quälen. Ich bin nicht mehr routiniert. Ich funktioniere körperlich nicht mehr.

Ich habe keinen Appetit, weder auf Essen, auf Zigaretten, auf Alkohol, auf Frau. Ich bin lustlos geworden. Ich bin nicht mehr unbändig und grenzenlos. Ich bin nicht mehr ungestüm und leidenschaftlich. Ich bin nicht mehr futuristisch. Ich funktioniere beruflich zwar einigermassen, doch sobald ich ausstemple, bin ich niedergeschlagen.

Ich kann mich nicht motivieren, ich kann mich nicht begeistern. Ich kann keine Reserven mobilisieren, denn diese verpuffen bereits in der Berufsarbeit. Ich weiss nicht, wie ich diese Woche durchstehen kann. Ich bin totalst erschöpft. Ich möchte weinen und alles abbrechen. Ich kann keinen Stress mehr bewältigen. Ich fühle mich wie verändert.

Jeder Atemzug schmerzt. Meine Lunge schmerzt, mein Herz schmerzt. Meine Finger schmerzen. Meine Beine Schmerzen. Mein Körper hemmt mich, er zerbricht mich. Er vernichtet meinen Lebenswillen. Er trägt mich nicht mehr. Wir harmonieren nicht mehr. Er rebelliert, er leistet Widerstand. Diesmal er.

Doch sorgt euch nicht; es sind bloss Nebenwirkungen eines Raucherentwöhnungsmedikaments. Ich darf nun die Dosis halbieren. Ich hoffe, bis Ende Woche bin ich wieder repariert. Bis dahin kann ich wieder leben, mich wieder befeuern, mich wieder interessieren und nicht mehr durchschleppen.

Unverbesserlicher Silvester

Ich habe gehört, der letzte Silvester sei ausgeartet. Grundsätzlich alles normal. Jemand kotzte ins Fondue. Jemand zertrümmerte das Geschirr. Jemand brach das anfängliche Rauchverbot. Ich habe nicht teilgenommen. Ich kenne die Ereignisse bloss aus Zweitquellen. Doch die Muster sind mir vertraut, sehr vertraut.

Wir streben seit jeher den maximalen Kontrollverlust. Wir wollen alles in einem Abend verdichtet und vor allem eskaliert wissen. Wir wollen Grenzen und vor allem uns selber spüren. Wir provozieren unser Umfeld solange, bis es empört und uns verurteilt. Manche bereuen daraufhin alles. Sie beschwören Besserung.

Wir haben uns nicht gebessert. Wir werden vermutlich uns nie bessern. Jeder Abend riskiert, bedroht unsere Selbstbeherrschung. Wir sind nirgends und nie gesichert. Ich kann nachempfinden, wenn man die Handbremse löst und endlich beschleunigt. Ich kann das Gefühl dieser Freiheit und Ahnung eines freien Willens reproduzieren.

Ich verstehe euch, wenn ihr eure Küchen zertrümmert. Wenn ihr eure Verwandten verärgert. Ihr müsst euch nicht entschuldigen. Wir müssten uns bloss einen Freiraum organisieren. Einen Raum bloss für Verrückte meinetwegen. Wo wir ungestraft uns ausgleichen und entspannen können. Oder wir experimentieren mit Yoga wie David.

Rauchfrei

Ich schlucke Medikamente. Denn ich möchte das Rauchen beenden. Ich habe noch einige Tage zu rauchen. Danach möchte ich aufhören. Ich habe viel geraucht. Manche mögen beteuern, ich hätte zu viel geraucht. Ich richtete den Tagesablauf danach. Früher bemass ich Distanzen in Zigarettenlänge. Mein Arbeitsweg war zeitweise eine Zigarette lang.

Oder viele Nächte habe ich verlängert, indem ich “bloss” noch “eine” rauchte. Ich organisierte meetings in verrauchten Lounges. Früher in Olten, als Atomstrom noch cool war. Als fette Gewinne Olten entspannte. Als die Stadt kompensierende Vorhaben projektierte. Wir rauchten dauernd und permanent. Beim Vorstellungsgespräch: “Rauchst du?!”

Aber ja, alles vorbei. Das Rauchen begleitete einen Lebensabschnitt. Diesen Lebensabschnitt beerdige ich. Angemessen mit einer weiteren Zigarette. Nicht die letzte, höchstens für heute. Aber danach sicherlich für eine gewisse Frist. Ob ich später jemals wieder rauche, mag ich nicht prognostizieren. Mal sehen.

#IchAlsCEO

Ich werde wohl demnächst eine kleine Serie #IchAlsCEO auf den beruflichen Netzwerken lancieren. Darin werde ich einige Thesen wagen, was ich als CEO ändern möchte. Eine übergeordnete Kampagne orchestriert diese Serie. Schliesslich amte ich intern neu als Creative Director. Ich kann mich austoben.

Ich möchte gerne, dass die Schlüsselpersonen die Selbständigkeit beschwören. Noch mindestens im Januar. Gleichwohl die Branche bereits twittert, was geschah. Denn fünf top-shots haben die Firma verlassen. Sie konstituieren mindestens zwei Firmen, die mehr oder weniger direkt konkurrieren. Abmahnungen und Verfügungen folgen.

Egal, man kann uns nicht aufhalten. Wir werden also guerillamässig unsere Unternehmenskultur skizzieren. Und uns plötzlich vereinen. Dann als Marke uns positionieren und die Kernbotschaft verdeutlichen. Das alles auf einer Landing Page vermengen. Und das Benutzerverhalten protokollieren. Oder so.

Ich muss das noch ausdetaillieren. Ich freue mich zumindest. Ich möchte die Aufmerksamkeitsökonomie kitzeln. Was ist im B2B-Umfeld möglich? Ich konnte bereits mitm letzten Arbeitgeber das Hipstertum etablieren und bewerben. Mittlerweile sind bloss noch die grossen Unternehmensberater bieder und langweilig – und verlieren Marktanteile.

Die kleinen sind allesamt agil, hip, grossstädtisch, beinahe vegan. Sie tanzen in der Zukunft statt im Aura. Sie residieren an der Oltner Neuhardstrasse statt am Zürcher Rennweg. Sie speisen im Bebek statt im Widder. Die grossen Mitbewerber können sich bloss noch mit hungrigen deutschen Immigranten verjüngen. Ihr Marketing langweilt.

Doch ein deutscher Kollege, den ich vor Jahren fachlich und sozial grossgezogen habe, möchte anheuern. Er verzichtet aufs Renommee an der Cocktailparty, bei einem der vier Grossen verdingt zu sein. Stattdessen will bloss cool, selbstbestimmt und lässig sein. So wie wir. So wie das Marketing, das ich verantworte.

Kommt gut.

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