Month August 2016

Die geile Frau meines Alters

Ich kenne das Gefühl, dass man nicht “der Erste” ist. Und vermutlich nicht “der Letzte” sein wird. Sexuell aktive und attraktive Frauen soll’s durchaus geben. Nur blöder ist, wenn man ihnen begegnet, sind nicht nicht unschuldig verdorben und im klassischen Sinne geil, sondern das ist die Folge vieler Erfahrungen und jahrelanger Praktik. Schlimmer ist bloss, wenn sie einen gewisse Praktiken verwehren, weil sie sie bereits erfahren haben. Dann fühlt man sich elendst und entwickelt eine Eifersucht auf jene, die noch im Leben sind und in ihrem waren.

Der Jedermanns Traum ist wohl, eine relativ unerfahrene Frau in eine sexuell total abgefahrene Kameradin zu entwickeln. Doch dieser Traum bleibt wohl auf die frühe Jugend beschränkt. In meinem Alter kann man’s vergessen. Das muss man akzeptieren. Wir dürfen, wenn wir Glück haben, zumindest die Reife einer weiblichen Sexualität geniessen, bevor die menschliche Sexualität wieder zusammensackt. Später dürfen wir uns noch in unseren Lebensberichten erinnern und die Jungen, Schönen und/oder Reichen beneiden.

Was sind Fluchtkosten?

Wer flieht, macht sich das Leben nicht einfacher. Jede Flucht muss bezahlt werden. Wir könnten uns jedoch bequemen, eine unangenehme Situation mit einer Flucht beenden. Aber die Flucht selber ist nie “gratis”. Die Flucht kostet immer.

Es sind einerseits die Kosten der Flucht selber. Also welchen Aufwand muss ich betreiben, dass ich überhaupt “wegkomme”? Muss ich einen Schlepper engagieren? Muss ich mich verstellen? Muss ich notlügen? Muss ich mir eine Wohnung suchen?

Und andererseits die Folgekosten der Flucht. Was verliere ich? Welchen “Umweg” muss ich nehmen? Statt Balkan- nun doch die Mittelmeer-Route, aber dafür ertrinke ich? Oder erhalte ich Jahre später eine Arztrechnung?

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Bedenke also jede Flucht!

Ich bewundere religiöse Menschen

Ich kann die Missachtung und Verachtung meiner Mitmenschen fürs Religiöse nicht teilen. Ich bin hier vermutlich zu flexibel. Ich verabscheue keine Religionen, keine Sekten oder sonstwas. Ich mag sie irgendwie. Warum erkläre ich heute.

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Ich hatte mich heute einem Kunden gegenüber geöffnet. Ich wusste, er muss religiös sein. Er ist sehr ausgeglichen, sehr zielstrebig, integer und liebenswert. Er ist einige Jahre älter als ich, hat aber eine Frau und drei Kinder. Er hat mir anvertraut, dass er in einer lokalen Freikirche sich engagiere. Er helfe psychisch kranken Menschen. Er spiele Musik. Es sei seine erweiterte Familie. Viel Liebe, Geborgenheit und Sicherheit erhalte, spüre er.

Ich habe weder verurteilt noch angegriffen. Alleine durch meine Rolle als externer Berater ziemt sich so etwas nicht. Doch wie hätte ich privat reagiert? Eben ebenso gleichmütig. Ich habe ihm offenbart, dass ich Religionen und insbesondere wirklich religiöse Menschen bewundere. Ich habe ihm die Geschichte des Christentums zusammengefasst. Eine Religion der Aussenseiter, der Verlierer, der Randständigen, die alle nach Liebe und Anerkennung trachteten. Ein Wettbewerbsvorteil der Christentums ist, dass die Christen sowohl im Diesseits wie auch im Jenseits Liebe und Anerkennung erfahren. Das vereinfacht vieles.

Natürlich hat mein Kunde erwidert, dass die heutigen Strukturen nicht mehr viel mitm originalen Christentum gemeinsam hätten. Diese ganze Institutionalisierung, Verstaatlichung und so weiter verwirre und entfremde ihn. Ich kann das spüren. Die christlichen Staatskirchen lehren den gemeinen Menschen vorbei. Die Freikirchen haben das bekanntlich erfolgreich beantwortet. Ich fühle mich ebenfalls entfremdet, zum Beispiel von der akademischen Philosophie. Doch darum geht’s mir nicht.

Diese ganzen, meinetwegen auch Freikirchen vergrössern die Liebesfähigkeit ihrer Anhänger. Sie erschaffen eine Gemeinschaft. Eine Familie. Sie sorgen sich für einander. Niemand muss oder wird Not erleiden. Sie werden aufgenommen und aufgehoben. Viele kritische Fragen über Sinn und Unsinn unseres Daseins werden abgenommen. Man kann sich wirklich “befreien”. Man muss nicht stets grübeln und hinterfragen. Es ist eine grosse Gelassenheit.

Die zivilisatorische, weil zähmende Wirkung solcher Gemeinschaften möchte ich ebenfalls würdigen. Eine solches Panoptikum verhindert jeden Ausbruch. Die Exzesse und Auswüchse unserer Zeit sind dadurch einigermassen gedeckelt. Es können nicht alle Futuristen sein, die hemmungslos irren, leidenschaftlich suchen und mit Grenzritte sich berauschen. Das würde sonst in einem epischen Weltkrieg oder amphetaminhartem Gangbang im Hotel California enden. Das möchte niemand.

Solche Menschen wirken irgendwie glücklicher und zufriedener. Wenn ich mein Leben vergleiche, hat mein Kunde technisch schon das bessere. Ich darf und kann mich zwar total entfalten. Ich kann begeistern und verführen. Ich kann kreischen und durchbrennen. Ich habe alle Möglichkeiten und Fähigkeiten, bin vielseitig interessiert und gelehrt, kann mich sogar irgendwie ausdrücken. Ich kann und darf nachdenken, so viel und so oft ich will und kann und darf. Aber ja, glücklicher bin ich deswegen nicht. Im Gegenteil, ich bin sehr unglücklich.

Solche Gemeinschaften stabilisieren unsere Gesellschaft. Sie sind zwar intellektuell autark, aber trotzdem einigermassen integriert. Die Gemeinschaft selber domestiziert uns. Sie besänftigt und tröstet. Vor allem der grosse Trost beruhigt. Der grosse Trost, weil unser Leben einen sinnlos dünkt. Sie schenkt Hoffnung, sie nimmt Zweifel. Viele Menschen profitieren. Viele Menschen leben wirklich glücklicher. Sie zweifeln keine Minute. Sie fühlen sich geliebt. Das macht den Unterschied.

Wir Futuristen aber werden nie geliebt werden. Wir werden immer bloss eine Ahnung, kleine Momente des Glücks und der Liebe kosten dürfen. Momente, die sich rasch verflüchtigen. Diese Momente befeuern unsere Suche und Sehnsucht. Sie provozieren und reizen uns. Wir werden nicht erlöst oder geheilt. Wir werden stattdessen sterben. Weil wir wissen, dass wir auf verlorenem Posten harren. Niemand wird uns je retten. Kein Gott, keine Kirche, keine grosse Spiritualität, die alles entkrampft.

Ich bin kein Muschiblog

Ich möchte mich vor versammelten Leserschaft entschuldigen. Früher sind hier wichtige Themen wie Terrorismus und der Zeichenkrieg besprochen worden. Heute wird bloss noch “abgemuschelt”. Das wird sich bald ändern. Ich werde bald in die Ferne flüchten und dort viel Gelassenheit gewinnen. In der Zwischenzeit empfehle ich euch eine Infografik, wer wann die Olympischen Sommerspiele dominierte. Darin gibt’s für alle etwas; für Nazideutschland, für Sowjetunion, für China.

http://www.nytimes.com/interactive/2016/08/08/sports/olympics/history-olympic-dominance-charts.html?_r=2

Liebestäuschungen

Wenn man verliebt ist, hat man bloss eine “Überlebenschance”, so Daniel in Die Möglichkeiten einer Insel, wenn man seine Liebe der Frau, die man liebt, verheimlicht und gewisse Gleichgültigkeit ihr simuliert. Ich hasse das. Ich will das nicht. Denn ansonsten wird man zerdrückt. Viele Männer praktizieren diese Coolness. Auch mir riet man sie schon. Aber ich habe diesen Rat immer ignoriert. Denn ich hasse solche Spiele. Man kann doch einfach ehrlich sein?

Ohne Liebe kein Leben

Wir können das Leben nicht verstehen, ohne dass wir die Liebe verstehen. Doch Liebe ist ein Unglück. Sie ist vergänglich. Sie kann kurz und intensiv sein, sie kann sofort und ohne Ankündigung enden. Solange wir danach sehnen, sind wir zumindest lebendig. Aber sobald wir kapitulieren, verlieren wir alles. Wir werden Maschinen. Wir werden irgendwie funktionieren. Uns irgendwie abkämpfen und dabei erkalten.

Wir können uns mit tausend Sachen entschuldigen, wieso wir nicht lieben können. Weil wir Schmerzen haben, weil wir durch “andere Sorgen” abgelenkt sind. Weil wir arbeiten müssen. Weil wir Rasen mähen dürfen. Wir können vor Liebe flüchten, weil wir uns fürchten. Wir fürchten uns, dass wir abhängig werden. Dass wir verletzlich werden. Dass man mit uns spielt. Dass man uns etwas vormacht. Wir sind so skeptisch, durch Werbung, Film und Kultur korrumpiert, vermeintlich aufgeklärt, dass wir nicht einmal mehr der Liebe vertrauen.   

Wir sind leidenschaftlich

Wir stürzen, wir übertreiben. Wir lieben. Wir lieben intensiv und ohne Zweifel. Wir geben uns auf, wir verlieren uns. Wir gehen all-in. Wir opfern alles und jeden. Für ein Stückchen Liebe. Für einen Hauch. Für eine Ahnung. Für eine unendliche bishin faustische Sehnsucht. Willkommen.

Wir sind alle informiert, aufgeklärt, was Liebe ist. Aber dennoch erlegen wir. Wir wiederholen uns. Wir projizieren und interpretieren. Wir fühlen uns endlich wohl und einigermassen satt. Wir konstruieren Erwartungen. Wir enttäuschen, wir werden enttäuscht.

Doch was treibt und zieht uns immer wieder dorthin? Wieso ist der Schrei nach Liebe so unendlich? Weil wir ADHS sind? Und weil wir dadurch Grenzen erfahren müssen, unsere Sinne überreizen müssen?

Wenn wir bloss verkokst Küsse als intensiv, tief und aufregend erleben? Wenn wir bloss im Hässlich-Kaputten etwas spüren? Wenn wir jede Beziehung beginnen, als wär’s die erste wie letzte?

Ich suche bloss Anerkennung. Ich suche bloss Ruhe und Unruhe in einer Beziehung. Ich suche einen Heimathafen. Ich bin entwurzelt, verloren und einsam. Ich möchte aber irgendwo heimkehren können. Das ist für mich Beziehung.

Ich strapaziere jede Beziehung. Das, weil ich wirklich lebe, als gäbe es kein Morgen mehr. Meine relativ geringe Sparquote symbolisiert diese Einstellung. Ich spare bloss minimalst für ein abstraktes Morgen, für ein abstrakter Gott oder für eine abstrakte Erlösung.

Ich liebe also auch, als gäbe es kein Morgen. Ich steige hoch hinaus und falle dementsprechend tief. Ich erlebe, ich leide. Ich bin in dieser Hinsicht totaler Futurist. Ich rase mit 200 km/h auf eine Wand. Statt zu bremsen, beschleunige ich.

Solange ich’s überlebe, ist’s und tut’s gut.

Gesellschaftsroman als Kolumne

Ich möchte gerne in diesem Beitrag meine Kolumne im Stile des kommenden Gesellschaftsromans Oltens konzipieren. Dies, weil ich gerne demnächst öffentlich reüssieren möchte.

Ich möchte darin Erlebnisse am Abgrund, das, mein und unser Grenzgängertum heroisieren. Ich beschreibe die Entwicklungen und Sorgen totaler Weltsverneiner, die ihr Leben leidenschaftlich wie leidenschaftslos vergeuden. Quasi Futuristen, die auf ein Morgen hoffen, aber wohlwissend, dass es keines gibt. Irgendwie ähnlich wie ein Don Draper sich rechtfertigte:

I’m living like there’s no tomorrow, because there isn’t one.

Ich fokussiere Olten, natürlich. Ich erzähle unheimliche Geschichten, kombiniere Figuren ausm Umfeld. Natürlich verbaue ich auch Autobiografisches. Aber wie viel wirklich wahr und real ist, muss nicht entschlüsselt werden. Ich möchte das Leiden, das Sehnen, diese Unendlichkeit, diese Suche, diese Unliebe und Unkultur zusammenfassen, in einige Sätze verdichten. Damit jedermann versteht, wie man ringt, wie man verzweifelt. Weil man ist wie man ist.

Ich werde unsere Geschichten konservieren. Unser Leiden erklären. Mein Leiden. Ich möchte aufzeigen, wieso wir geworden sind, was wir sind. Und was wir werden möchten. Unsere Träume, Sehnsüchte. Ich möchte kein Das Kleine Lexikon der Provinzliteratur kopieren. Ich möchte kein Houellebecq ausm Pariser ins Oltner Umland verlegen. Ich möchte bloss experimentieren; einen Plot konstruieren, indem ich monatlich Episoden konsolidiere.

Einige mögen beteuern, sie wollen nicht als Projektionsfläche sich missbraucht und entehrt fühlen. Ich versichere, dass man keine Figur jemals auf eine Person zurückführen lässt. Das verspreche ich. Ich will nicht wie ein Mann mit allen mich verstreiten, bloss weil ich Figuren zu offensichtlich zeichne. Aber ihr habt mich alle bemust. Ich danke. Ich hoffe, ich bemuse auch euch.

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